Unsere MitstreiterInnen

Renate

Renate (61), Bibliothekarin

Ich bin auf meinen Elektrorollstuhl angewiesen und nutze regelmäßig einen Hol- und Bringedienst, um Termine, Einkäufe oder Arztbesuche wahrzunehmen. Für mich ist dieser Dienst essenziell, damit ich am Leben im Kiez teilhaben kann.

Doch durch die geplanten Veränderungen sehe ich nicht als Verbesserung an: Wenn immer mehr Straßen gesperrt oder umgewidmet werden, müssen die Fahrdienste lange Umwege fahren. Die Anfahrten dauern länger, die Wege werden komplizierter – und nicht selten stecken die Fahrzeuge im Stau auf den überlasteten Hauptstraßen fest.

Das kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern es entstehen auch höhere Kosten für die Dienstleister und am Ende für mich und andere in vergleichbarer Situation.

Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass bei allen Veränderungen auch die Menschen mitgedacht werden, die auf Unterstützung angewiesen sind. Mobilität darf kein Privileg sein – sie muss für alle möglich bleiben. 

Volker

Volker (48), Ingenieur für Verkehrswesen

Ich beobachte die aktuelle Entwicklung in unserem Kiez mit wachsender Skepsis. Das Konzept, das hier umgesetzt werden soll, wirkt auf den ersten Blick modern und klimafreundlich – aber in der Praxis sehe ich erhebliche Schwächen, die nicht nur ineffektiv, sondern zum Teil sogar kontraproduktiv sind.

Anstelle von immer neuen Sperrungen, Pollern und vermeintlichen “Begegnungszonen”, die oft mehr Verwirrung als Sicherheit schaffen, plädiere ich für durchdachte und erprobte Maßnahmen: Mehr Verkehrskontrollen durch mobile und feste Blitzer, baulich getrennte Radwege – klar abgegrenzt vom Fuß- und Autoverkehr – sowie gezielt eingesetzte Bodenschwellen zur Reduktion von Geschwindigkeiten. All das kann den Verkehrsfluss beruhigen, ohne notwendige Erreichbarkeit und Mobilität unnötig einzuschränken.

Auch sinnvoll geplante Einbahnstraßenregelungen sind ein bewährtes Mittel, um Durchgangsverkehr zu reduzieren, ohne Anwohnende oder Gewerbe zu behindern. Der aktuelle Ansatz hingegen wirkt oft ideologisch überladen und wenig praxistauglich.

Hinzu kommen Entwicklungen, die ich sehr kritisch sehe: Car-Sharing wird wegen steigender Preise zunehmend unattraktiv und für viele nicht bezahlbar. Gleichzeitig nehmen falsch abgestellte E-Scooter und Lastenräder überhand – sie blockieren Gehwege, Einfahrten oder stehen mitten auf Plätzen. Für ältere Menschen, Familien mit Kinderwagen oder Menschen mit Behinderungen stellt das ein echtes Sicherheitsrisiko dar. Hier fehlt es an klaren Regeln und vor allem an Kontrolle.

Ich bin nicht gegen Veränderungen – im Gegenteil. Aber sie müssen durchdacht, effizient und für alle zugänglich sein. Mobilität bedeutet mehr als Autos zu verdrängen. Sie bedeutet, dass Menschen sich sicher, barrierefrei und zuverlässig bewegen können – zu Fuß, mit dem Rad, im Auto oder mit öffentlichen und geteilten Verkehrsmitteln.

Ich bin davon überzeugt, dass eine nachhaltige Stadtplanung wieder stärker von der Realität der Menschen ausgehen muss – und nicht von einer Idee, wie Verkehr irgendwann einmal aussehen könnte.

paar mit Kind 2

Paulina (28), Max (29) mit Sammy

Wir leben mit unserem kleinen Kind in der Nähe des Boxhagener Platzes – und eigentlich lieben wir diesen Ort. Besonders der Wochenmarkt ist für uns etwas ganz Besonderes: ein lebendiger, bunter Treffpunkt, der uns mit guten Produkten und netten Gesprächen versorgt.

Aber wir machen uns Sorgen. Wenn Sitzgelegenheiten auch noch auf der Straße aufgestellt werden, befürchten wir, dass der Platz noch stärker zur Partyzone wird – mit all dem Lärm, Müll und dem Gedränge, das damit oft einhergeht. Schon jetzt ist es an manchen Abenden schwer, überhaupt Ruhe zu finden.

Was uns besonders traurig machen würde: Wenn Händler vom Wochenmarkt deswegen aufgeben müssten oder verdrängt würden. Das wäre ein echter Verlust – nicht nur für uns, sondern für viele Familien und NachbarInnen, die den Platz gerade wegen seiner Vielfalt und Qualität so schätzen.

Wir wünschen uns, dass bei allen Veränderungen auch die Interessen der AnwohnerInnen, Familien und Händler mitgedacht werden – damit der Boxi ein lebenswerter Ort für alle bleibt.

Amir

Amir (58), Marktbeschicker

Ich bin seit vielen Jahren Marktbeschicker auf dem Boxhagener Platz und verkaufe dort frisches Gemüse – direkt vom Hof. Für mich ist der Markt nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern ein Stück Heimat. Ich kenne meine KundInnen, und viele kommen ganz gezielt zu mir, weil sie regionale Qualität schätzen.

Doch ich mache mir große Sorgen. Wenn der Platz zu einer Begegnungszone umgebaut wird, weiß ich nicht, wie ich überhaupt noch mit meinem Transporter dorthin kommen soll. Der Aufbau beginnt früh, oft im Dunkeln, mit schwerem Gerät und Kisten voller Ware. Ohne direkte Zufahrt wird das kaum noch machbar sein.

Ich habe Angst, dass ich meinen Stand aufgeben muss – nicht, weil es keine Nachfrage gibt, sondern weil die Bedingungen es mir unmöglich machen. Und das wäre nicht nur für mich ein Verlust, sondern auch für die vielen Menschen, die den Markt lieben.

Ich mahne an, dass wir Händler bei den Planungen mitgedacht werden. Ohne uns verliert der Platz ein Stück seiner Seele.

Bilnde Frau 2

Jessica (33), Verwaltungsfachangestellte

Ich bin blind und kenne meinen Kiez gut – ich bewege mich sicher, weil ich mich an Geräuschen, Ampeln und Leitsystemen orientieren kann. Doch das neue Verkehrskonzept macht mir große Sorgen. Wenn Straßen zu Radstraßen werden, ohne klare Ampeln oder taktile Leitsysteme, bedeutet das für mich vor allem eines: Unsicherheit.

Radfahrende kann ich oft nicht hören, vor allem wenn sie schnell und leise unterwegs sind. Wenn dann noch Regeln missachtet werden – was leider häufig vorkommt – wird es für mich richtig gefährlich. Ich hatte schon mehrere Situationen, in denen ich beinahe angefahren worden wäre.

Ich bestehe darauf, dass man Menschen wie mich mitdenkt und daher Barrierefreiheit bei neuen Planungen von vornherein mitberücksichtigt. Sicherheit im öffentlichen Raum muss für alle gelten, nicht nur für die Schnelleren und Lauteren. Ich will mich weiterhin frei und selbstständig bewegen können – ohne Angst.

Alyssia

Alyssia (33), Pflegefachkraft

Ich arbeite im Schichtdienst im Krankenhaus und komme oft erst spät in der Nacht nach Hause. Dann beginnt für mich jedes Mal der Stress aufs Neue: Die Parkplatzsuche und das wird nicht besser, wenn so viele Parkplätze wegfallen.

Wenn ich nach einer langen Schicht erschöpft bin, kreise ich oft ewig durch die Gegend – in der Hoffnung, irgendwo noch einen Parkplatz zu finden.

Was mir zusätzlich Angst macht: Manche Straßenstücke auf dem Heimweg sind kaum beleuchtet. Als junge Frau fühle ich mich dort nachts allein einfach unsicher. Es sind genau solche Momente, in denen ich mir wünsche, dass die Bedürfnisse von Menschen wie mir stärker mitgedacht werden.

Meine Erwartung an ein neues Verkehrskonzept ist, dass es auch die Realität von SchichtarbeiterInnen berücksichtigt – und unsere Sicherheit nicht aus dem Blick verliert.

Joerg

Jörg (48), Unternehmer

Ich habe große Sorge, dass meine Existenz durch dieses Konzept bedroht ist.

Meine Waren werden mit großen LKWs geliefert, die sich schon jetzt durch enge Nebenstraßen quälen müssen – und ich frage mich, ob eine Belieferung überhaupt noch möglich sein wird.

Meine KundInnen sind Handwerker, die bei mir dringend benötigte Bauteile und Materialien kaufen. Auch sie werden Probleme haben, wenn die Zufahrt weiter erschwert wird. Auf Lastenräder können sie nicht umsteigen – das ist bei ihrem Arbeitsalltag und Material schlicht nicht machbar.

Ich fordere die Verantwortlichen auf, die realen Bedingungen kleiner Betriebe mitzudenken. Wir sind auf funktionierende Lieferketten und Erreichbarkeit angewiesen – sonst steht unsere wirtschaftliche Grundlage auf dem Spiel.

Werner

Werner (75), Rentner

Ich bin unsicher unterwegs – vor allem auf den schlechten Gehwegen in unserem Kiez. Ich bin auch schon gestürzt, und das ist in meinem Alter alles andere als harmlos. Es macht mir Angst, wenn ich sehe, wie wenig Rücksicht manchmal genommen wird. Radfahrer werden oft nicht gesehen – oder ich werde von ihnen übersehen. Das fühlt sich nicht gut an.

Die Gehwegvorstreckungen helfen mir manchmal, Kreuzungen besser zu überblicken. Sie sollten aber vorzugsweise dort installiert werden, wo auch der Verkehr ist und nicht in den ohnehin ruhigen Seitenstraßen.

Besonders erschrocken war ich, als ich gelesen habe, dass ein Rettungswagen wegen eines Pollers verspätet zum Einsatzort kam. Da wurde mir richtig bange. Denn das hätte auch mir passieren können. Und dieser Gedanke lässt mich nicht los.

Marina

Marina (26) mit Emma, Mutter 

Es ist grundsätzlich eine gute Entwicklung, wenn die Straßen ruhiger und sicherer werden. Das unterstütze ich. Aber bei aller guten Absicht sehe ich auch Entwicklungen, die mir Sorgen machen.

Gerade als Fußgängerin und Elternteil erlebe ich täglich, dass die Rücksichtslosigkeit im Verkehr nicht nur von Autos ausgeht. Viele Radfahrerinnen halten sich nicht an die Regeln: Sie fahren auf Gehwegen, überholen dicht oder ignorieren Zebrastreifen und rote Ampeln. Ich selbst wurde schon mehrfach beinahe angefahren – und das mit einem Kind im Kinderwagen.

Sicherheit muss für alle gelten – auch für die, die zu Fuß unterwegs sind.

Es ist wichtig, dass bei der Umgestaltung unseres Kiezes auch andere Aspekte nicht vergessen werden: unsere Spielplätze zum Beispiel, die in die Jahre gekommen sind. Die Grünflächen, die dringend Pflege bräuchten. Und nicht zuletzt die Gehwege – viele von ihnen sind so kaputt, dass man mit einem Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl kaum noch durchkommt.

 

Eine familienfreundliche Stadt bedeutet mehr als neue Verkehrskonzepte. Sie braucht Orte zum Spielen, zum Verweilen – und sichere Wege für alle. Ich möchte, dass genau das in den Planungen nicht übersehen wird.

Kerstin

Kerstin (42), Unternehmerin

Durch die Einrichtung der Schulstraße kann ich meinen Lieferwagen nicht mehr wie gewohnt be- und entladen. Das bedeutet für mich Umsatzverlust. Meine tägliche Arbeit ist ohnehin schon mit viel Aufwand verbunden. Jeder Handgriff, jede Minute zählt. Wenn dann zusätzlich Wege länger werden oder ich meine Ware nicht mehr direkt vor dem Laden ausladen kann, hat das spürbare Folgen für meinen Betrieb.

Was mich besonders enttäuscht: Ich hätte mir gewünscht, dass der Bezirk uns frühzeitig informiert – und zwar bevor Entscheidungen getroffen werden. Stattdessen erfahre ich von den Veränderungen erst, wenn alles bereits beschlossen ist. So bleibt keine Möglichkeit mehr, eigene Bedenken zu äußern oder gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Ich fühle mich übergangen, nicht mitgenommen, einfach nicht ernst genommen.

Ich erwarte hier mehr Dialog, mehr Transparenz und ein echtes Interesse daran, was solche Maßnahmen für uns kleine Gewerbetreibende bedeuten. Wir sind Teil des Kiezes, wir versorgen die Nachbarschaft, wir schaffen Arbeitsplätze. Bitte denken Sie uns mit – bevor es zu spät ist.

Julian

Julian (22), Student der Informatik

Ich bin viel mit dem Rad unterwegs – und ehrlich gesagt fühle ich mich dabei immer unsicherer. Der Verkehr in der Stadt hat sich verändert. Der Druck auf den Straßen ist spürbar, und mit ihm steigt auch die Aggressivität. Es fehlt oft an Rücksicht, an Raum und an einem Miteinander. Ich merke, wie angespannt viele Menschen im Straßenverkehr sind – und das macht auch mir Angst.

Aber nicht nur das bereitet mir Sorgen. Ich frage mich, wie lange ich mir das Leben in meinem Kiez überhaupt noch leisten kann. Bei Freunden habe ich es schon oft erlebt: Erst wird „aufgewertet“, dann steigen die Mieten – und irgendwann müssen sie wegziehen.

Ich möchte in einer Stadt leben, in der alle gut und sicher leben können -unabhängig vom Verkehrsmittel oder Einkommen. Veränderung ist wichtig, aber sie muss sozial gerecht und wirklich für die Menschen vor Ort gedacht sein.

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